Samstag, 8. Januar 2011

Wo kommt all die Panik her? (Teil 2)

Im ersten Teil habe ich ja beschrieben, was ich von der Nahrungsmittelhysterie im Allgemeinen halte. Nämlich nix.
Das liegt nicht mal unbedingt daran, dass ich Massenbewegungen generell skeptisch gegenüberstehe, sondern vor allem an meinem Vertrauen in die Erzeuger. Kaum ein Hersteller irgendeines Produktes wird seine Erzeugnisse bewusst so vermanschen, dass es seine Kundschaft gefährden könnte. Er wäre ja schön doof, wenn er kurzfristig ein paar Pfennige einspart, ihm aber dafür seine komplette Reputation und sein Absatzmarkt über die Wupper geht. Denn da wird aufgepasst! Und da kommt die zweite Truppe dazu, denen ich auch vertraue. Die Überwachungsbehörden nämlich.
Ich bin nicht gerade ein Bürokratiefan und ich denke auch, dass da mittlerweile einiges übertrieben wird (wesentlich empfindlichere Messtechnik machts möglich), aber ein grundsätzliches Vertrauen habe ich in dieser Beziehung schon in sie, die zuständigen Behörden.

Nun ereilte mich vor einigen Tagen die Nachricht vom Dioxin-Ei. Übers Autoradio auch noch. Hätte ich an diesem Tag vor Schreck das Steuer verrissen, wenn ich schon ein Frühstücksei verzehrt gehabt hätte? Nein, garantiert nicht. Auch eine demnächst angebotene Eierspeise hätte mich nicht erschreckt zurückfahren lassen, denn ... ich habe ja Vertrauen.
Es ist irgendwo Mist passiert, es wurde gemerkt, es wurde gehandelt. Alles so wie es sein soll.

Nun ist Dioxin im Ei nicht vergleichbar mit dem Cholesterin aus dem ersten Teil. Das ist sowas wie Motoröl im Magerquark, oder Benzol in der Buttermilch. Sowas gehört da nicht rein. Ganz einfach.

Ganz einfach? Hm, nein doch nicht. Es ist ein bissl wie mit dem alljährlichen Uran im Trinkwasser. Uran ist ein natürliches Element und kommt ganz normal in der Erdkruste vor, aus der es vom ebenfalls "natürlichen Quellwasser" (hehe!) eben in kleinen Teilen ausgewaschen wird. Dioxin allerdings entsteht meist nicht bei natürlichen Vorgängen (ausgenommen Vulkanausbrüche), sondern

... das Supergift bildet sich meist bei der Verarbeitung oder Verbrennung chlorierter Kohlenwasserstoffe, die in der Natur nicht vorkommen.
wie die Ärztezeitung zu berichten weiß.  Okay, nicht unbedingt natürlich, aus des Schöpfers fluffigem Paradies-Derivat, aber sooo selten? Auch nicht unbedingt.
Meine Eltern haben, als ich noch ein Kind war, immer Hühner und Karnickel gehabt. Fast jeder auf dem Dorf hielt welche. Hat da mal irgendjemand den Dioxingehalt der Futtermittel getestet? Nö, warum auch? War doch alles Bio. Das frische Gras vom eigenen Acker, die selbst gezogenen Rüben von ebendiesem ... Dioxin? Nee. Aber war das auch so, als der Nachbar seinen 60-er Jahre Trecker hat stundenlang aufs Feld rußen lassen? Oder als Gras über alte Feuerstellen gewachsen war?
Naja, und die Hühner lasse ich mal lieber ganz beiseite. Die dummen Vögel fressen buchstäblich alles, inklusive halb verschimmelten Essenresten (Pilzgifte!) und dem doch nicht ganz sauberen Straßenstaub. Wer ahnt, was dieses Freiland-Geflügel sich da so alles einverleibt hat.

Dies führt mich zu einer kleinen Anekdote. Vor einiger Zeit erzählte mir ein Dozent von einem Unfall (vielmehr einer Verpuffung) im Kessel einer Müllverbrennungsanlage. Es wurde ordnungsgemäß angezeigt und ein Heer von Umweltamtlern durchforstete nun die nähere Umgebung. Alles war soweit okay, aber im Boden eines Gartens wurden erschreckende Dioxinwerte festgestellt. Natürlich wurde die Betriebsgenehmigung für die MVA erstmal verweigert und man ging der Sache peinlichst auf den Grund. Die Reaktion der Medien kann man sich vorstellen.
Tja, dass der Gartenbesitzer die anfallende Asche seines eigenen kleinen Ofens (in dem er über die Jahre wer weiß was verbrannt hatte)  immer in seinem Garten verteilt hatte, kam erst später raus. Dabei war der wackre Kleingärtner bestimmt kein Umweltschwein, oder profitgieriger Industrieller. Also, so ein seltenes Über-Gift scheint mir Dioxin erst zu sein, wenn penibel kontrolliert wird. Und das tun sie wo, die Umweltbürokratler? Natürlich vor allem bei den Großen (und das natürlich mit Recht, da ihr Output halt auch am Größten ist).

Aber zurück zum Dioxin-Ei. Erst durch Blogger wurde mir vor Augen geführt, um welche Mengen und welche Grenzwerte es dabei überhaupt geht. Und, dass für Eier viel geringere Alarmwerte gelten, als z.B. für Dorschleber und Aal. Hossa, wir machen hier Panik wegen Pikogramm von Dioxin. Mithin billionstel Gramm! Das ist schon fast homöopatisch, womit wir wieder bei Paracelsus wären. Au weia! Aber der Skandal "weitet sich aus". Immer weiter. Sogar das Ausland will "unser Fleisch" nicht mehr haben, wie Spiegel online berichtet.

Es wäre in seiner Überzogenheit lächerlich, wenn es nicht wirtschaftlich so katastrophal für alle unschuldigen Beteiligten wäre. Dazu empfehle ich den ebenso zornigen wie nachdenklich machenden Artikel bei Kewil und den zugehörigen Kommentarstrang, dem ich auch die meisten Informationen hierfür entnommen habe.

Abschließend sei noch dieser sehr lesenswerte Artikel beim Spiegelfechter empfohlen: Dioxin, kein Grund zur Panik. Da ist alles schön aufgedröselt.

Tja, Panik hätte ich auch so nicht gehabt, aber ich bin wieder einmal froh, dass es außerhalb der Mainstream-Redaktionen noch jede Menge intelligentes Leben gibt.

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