Feuer machen (2. Teil)

Ich war auch mal ein Junge. Und wie alle Jungs hatte ich einen Heidenspaß an Feuer. Ich habe also auch, wie wahrscheinlich viele Jungs, gerne gekokelt. Einmal hat mich so ein Feuerexperiment den größten Teil meine Gesichtsbehaarung gekostet, als ich nicht nur damit zufrieden war, dass Seifenpackpier eine schöne grüne Flamme hervorruft (wie ungewöhnlich!), sondern auch noch Spaß an der „Woosh-Wirkung“ von verdüstem Flüssigbrennstoff entwickelte.
Ganz konkret hatte ich irgendeine brennbare Flüssigkeit (Spiritus oder Feuerzeugbenzin) in eine elterliche Pflanzenbesprühflasche gezogen und hatte eine Mordsgaudi mit den entstehenden Feuerwolken, wenn ich den Sprühstrahl auf irgendeine kleine Flamme richtete. 

Na ja, der elterliche Badeofen hatte nur einen sehr kleinen Feuerraum, und so kam mir meine Feuerwolke einmal selbst entgegen, statt sich im Inneren des Ofens zu verlieren. Augenbrauen verkräuselt, Wimpern angeschmort   ich sah ein wenig nackig aus im Gesicht und tat alles, um das Desaster vor meinen Eltern zu verbergen.
Aber diese alles verzehrende, knisternde und leuchtende Macht fasziniert mich noch immer. Da bleibe ich wohl ewig der Junge mit den leuchtenden Augen. 

Wie ist denn das nun aber in Kraftwerken gelöst? Wie alles, woran Experten lange genug rumgefrickelt haben ist es komplizierter geworden. Einfach nur etwas anzünden und sich freuen wie es brennt ist was für Jungs, das Feuer auch richtig auszunutzen ist was für Profis.

Bevor ich das erste Mal einen Fuß in ein Kraftwerk gesetzt habe, hatte ich eine vage Vorstellung davon, dass da Unmengen an Kohle in einen Kessel gekippt werden, dort verbrennen und am Ende zieht jemand den Aschekasten raus und bringt den Rest in die Mülltonne.
Sowas gibt es auch noch, aber nur bei kleinen Anlagen. Das Prinzip gibt es zum Beispiel in Dampfloks. Kleinere Heizkessel funktionieren so, wie auch Müllverbrennungsanlagen. Da wird wirklich noch der Brennstoff auf ein Rost gekippt und das heiße Abgas durch Rohrleitungen geleitet, die das sie umgebende Kesselwasser erwärmen.

Man spricht dabei z.B. von „Flammrohrkesseln“ oder, wer es ganz genau haben will, von „Großwasserraumkesseln“. Eine Großanlage wird allerdings eher mit einem „Kleinwasserraumkessel“ ausgerüstet sein. Das klingt erstmal widersinnig, ist aber so. Der Kleinwasserraum bezeichnet nämlich die Heizrohre, in denen jetzt unser Wasser fließt, während sich das Feuer in unserer Brennkammer befindet, in unserem Feuerraum.

Hintergrund für diese Verkleinerung des „Wasserraums“ ist, unter anderem, das enorme Zerstörungspotential welches einem großen, unter Druck stehenden Heißwasserkessel anhaftet. Wir müssen uns vor Augen führen, dass wir es hier nicht mit einem handelsüblichen Schnellkochtopf zu tun haben, sondern dass wir hier mittlerweile von Temperaturen über 400°C und Drücken um die 300 bar sprechen. Und da haben wir es noch mit Wasser in Flüssigphase zu tun! Wenn jetzt ein so „aufgeladener“ Liter Wasser bei einem eventuellen Leck des Kessels ins Freie tritt, werden daraus schlagartig mehrere tausend Liter Dampf! Und wir messen hier nicht mehr in Litern, sondern in Tonnen! Ein Schaden an einem solchen Großwasserraum hätte die Wirkung einer Bombe. Wenn jetzt aber alles auf einige hundert Rohrleitungen verteilt wird, kann so eine Rohrwand auch mal reißen, ohne dass es gleich explosiv wird.

Nun aber weiter mit der Feuerung. Es gibt  die irrsten Konzepte, wie man so einen Feuerraum gestalten kann (ein paar davon werde ich hier vorstellen), aber drei Sachen sind immer zu beachten, egal wie man seine Feuerung auslegen will. Man braucht für eine ordentliche Verbrennung erstens Brennstoff, zweitens Sauerstoff und drittens eine ausreichende Zündtemperatur.

Das klingt erstmal banal, denn in der täglichen Praxis ist ja zum Beispiel jeder in der Lage mit einem brennenden Streichholz eine Kerze anzuzünden. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir in diesem Fall auch ideale Bedingungen vorfinden.
Unser Kerzenwachs wird durch den Docht ja schon  fein portioniert geliefert. Man kann ja mal versuchen ein Überangebot von Brennstoff zu entzünden, indem man das Streichholz ans andere Ende der Kerze hält. Da wird nicht allzu viel passieren. Wir haben um unsere Kerze herum auch einiges an Sauerstoff in der Umgebungsluft, aber wenn man dem Flämmchen zuviel Luftzug zumutet wird die Kerze ausgepustet. Genauso ist es mit dem Zündholz. Das brennt auch nur, wenn es nicht gerade feucht ist. Schon ein wenig Wasser reicht aus, um einer Flamme soviel Wärme zu entziehen, dass diese verlischt (Wasser will ja verdampfen, also entzieht es der Flamme die Energie dazu).

Großtechnisch muss man also versuchen, diese drei Komponenten so aufeinander abzustimmen, dass das Feuer auch genauso brennt wie man es haben will. Nicht zu schnell, nicht zu langsam, nicht zu hell, nicht zu dunkel und das genau an der Stelle im Feuerraum, an der wir die Energieübertragung auf unsere Wasser- und Dampfrohre am besten gebrauchen können.

Wir basteln uns also eine Dosiervorrichtung, ähnlich wie die Sprühflasche, deren Zweckentfremdung mir als Kind das Gesicht versengt hat. Kohle versprühen?
Aber ja! Der Flamme ist es doch egal, ob sie nun ein Tröpfchen oder ein Staubkorn angreift, wichtig ist nur, dass bei beiden eine sehr große Gesamtoberfläche angreifbar wird. Mit Luft verwirbelter Kohlestaub verbrennt mit einem ebensolchen „Woosh“ wie verwirbelter Flüssig-Sprühnebel.

Wir bauen uns also sogenannte Kohlestaubbrenner und platzieren sie strategisch günstig an verschiedenen Stellen in unserem Feuerraum. Der Phantasie sind bei der Anordnung nun keine Grenzen gesetzt. Es gibt Stirnwandfeuerungen, Boxerfeuerungen, Ecken- und Deckenfeuerungen, aber die ganz hohe Schule wird in großen Braunkohlekraftwerken angewandt. Die sogenannte Tangentialfeuerung erzeugt durch leicht versetzt schräge Brenneranordnung an den Seiten der Brennkammer in deren Mitte einen Flammenwirbel, so eine Art Feuertornado, der möglichst nicht die Seitenwände berühren soll.

Das soll es zur Staubfeuerung erstmal gewesen sein. Wo der Staub herkommt und wie man ihn zu den Brennern befördert werde ich wohl später mal beschreiben. Nur eins ist gewiss. Es ist wesentlich komplizierter als der Einsatz von Öl- oder Gasbrennern.

Zwei besondere Feuerungsarten möchte ich aber noch beschreiben, weil sie zeigen, wie vielfältig sich der menschliche Erfindergeist zeigen kann.

Die erste ist die sogenannte „druckaufgeladene Wirbelschichtfeuerung“. Dabei ist unsere Brennkammer mit sandartigem Inertmaterial (inert heißt „nicht brennbar“) angefüllt, welches von unten ständig mit Druckluft beaufschlagt wird. Gibt man jetzt etwas Kohle dazu und bringt das ganze auf ordentliche Zündtemperatur, dann hat man so eine Art wabernde Glut geschaffen, die jetzt um unsere Rohre „fließt“.

Die zweite, völlig irre Bauart ist aus einer Not heraus entstanden. Als noch sehr viel Kohle für Hausbrandanlagen brikettiert wurde, blieb für die Kraftwerke nur noch die schlechteste Qualität übrig. Hohe Asche- und Salzgehalte der Kesselkohle erschwerten die vollkommene Verbrennung und brachten ein Riesenproblem mit sich. Asche! In rauen Mengen. Und diese zieht nicht nur ein Entsorgungsproblem nach sich, sondern sie schmilzt teilweise auch im Feuerraum und bäckt an den Rohren und Kesselwänden fest.

Was macht nun der clevere Ingenieur? Er lässt es aber mal so richtig drauf ankommen! Er schrumpft die Brennkammer und konzentriert das Staubfeuer auf kleinstem Raum, so dass sehr hohe Temperaturen erreicht werden. Jetzt schmilzt nicht nur ein Teil der Asche und bleibt irgendwo unkontrolliert kleben, sondern alles was nicht brennbar ist verflüssigt sich und läuft als Film die Brennkammerwände hinunter.

Unsere Dampferzeugerberohrung muss jetzt allerdings hinter einer feuerfesten Schutzschicht versteckt werden
und auch sonst bringt diese Konstruktion einige Nachteile mit sich, aber das Konzept an sich ist schon genial.